Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Ilsestein und Paternosterklippe                                                                                          22.10.2023 Es gibt Projekte, die plant man und es gibt jene, die sich ergeben. Sie kommen dir entgegen, flüstern dir zu: jetzt bin ich dran. So geschah es mir im Spätsommer und Herbst dieses Jahres. Gleich vier Mal lockte mich das Tal der Ilse zu einer Wanderung und jedes Mal war die Motivation eine andere. Doch alle vier Unternehmungen – zur Stempelsbuche ( HIER ), zum Froschfelsen ( HIER ), zum Kruzifix ( HIER ) und heute hinauf zum Ilsestein – haben das Wandern durch das schöne Ilsetal gemeinsam. Gleich zu welcher Jahreszeit die Ilse zum Wandern ruft, man hat ein beeindruckendes und einzigartiges Naturerlebnis. Heute lockte mich der Ilsestein, der rund 150 Meter hoch über dem Tal wie ein versteinerter Wächter steht. Von unten ist er kaum zu sehen, man muss sich schon über die Baumwipfel begeben. Der Weg dorthin beginnt am Parkplatz vom Waldhotel „Am Ilsestein“. Die locker zwei Kilometer begeht man auf einer lang gestreckten Schleife 150 Meter aufwärts am Berghang entlang. Klingt nicht schlimm, jedoch schlimm empfindet jeder anders. Diesmal gehe ich die Steigung ziemlich entspannt an. Am Abzweig in Richtung Ilsestein steht eine kleine Schutzhütte. Spätestens jetzt schaut man staunend ins Tal und auf die Dächer von Ilseburg. Nur weniger Schritte weiter, hinter einer Biegung, öffnet sich ein Ausblick in das Tal der Ilse von oben sowie auf die Berghänge gegenüber. Vor ein paar Tagen bin ich genau dort, in lauter Serpentinen, vom Froschfelsen kommend, abgestiegen. Es ist faszinierend, das Ganze noch einmal aus anderer, beinahe Vogelperspektive, zu betrachten. Wie eine Schlange windet sich der Weg am Hang entlang. Schon bald erreiche ich den kleinen Bruder vom Froschfelsen auf dieser Seite des Tals. Weil der Hang beinahe leer gefegt ist, kann man von oben den Lauf des Weges verfolgen und darüber hinaus blicken. Stünde hier noch dichter Wald, wäre das nicht möglich, aber sicher anders reizvoll. Dann ist auch schon der Ilsestein, auf 474 Meter, erreicht. Im ersten Moment, und aus einiger Entfernung, wirkt der Granitfelsen auf mich eher unspektakulär. Ein kleiner Imbiss verdeckt den Zugang zum eigentlichen Fels, zu dem ein schmaler und steiniger Pfad führt. Als ich endlich diesen imposanten Granitbrocken erreiche, auf dem Vorsprung stehe, erlebe ich eine atemberaubende Aussicht über das gesamte Ilsetal. Eine Bank lädt hier zum Verweilen und bietet einen großartigen Blick zum Brocken. Der hat sich heute allerdings eine dicke Wolkenmütze aufgesetzt und versteckt sich vor allen neugierigen Blicken. Das Panorama bietet dennoch all das, was man in so einem Moment auf einem Aussichtspunkt erwartet – Postkartenblicke über das Tal und auf die Berge. Ich jedenfalls fühle mich sauwohl und bin überglücklich, hierher gelangt zu sein. Anderen scheint es ebenso zu ergehen. Wer kann und hat, macht ein Selfie. Ich dagegen bitte einen, mich zu knipsen. Für die meisten sind die Stempelstelle und der Felsen nur eine Zwischenstation zum nächsten Ziel. Mir schwebt auch noch ein weiterer Felsen vor, dem ich einen Besuch abstatten möchte. Also folge ich der Wandergruppe, der ich mein „Selfie“ verdanke auf einem schmalen Trampelpfad, der leicht abwärts zu einem weiteren Waldweg führt. Nur ein knapper Kilometer weiter und leicht bergan, versteckt sich die Paternosterklippe zwischen Bäumen. Zuvor genieße ich die herrlichen Ausblicke beim Wandern. Es ist wirklich traumhaft schön auf halber Brockenhöhe über dem Tal der Ilse. Außerdem lugt nun die Sonne zwischen den Wolken hervor und lässt die Herbstfarben überall leuchten. Der Harz ist schön, dagegen lässt sich nichts sagen. Dann stehe ich vor diesem Haufen Granitgestein, der Paternosterklippe, mit dem typischen „Zahn“ am Abgrund auf 522 Meter über NN. Der Sage nach soll sich hier eine Gruppe Nonnen auf der Flucht vor Raubrittern in die Tiefe gestürzt haben, nachdem sie ein letztes Vaterunser gebetet hatten. Der obere Teil dieser Felsklippe ist begehbar, den unteren zu besteigen, verkeife ich mir. Schließlich bin ich kein Mönch und niemand verfolgt mich. Aber ich gönne mir genug Zeit, dieses wundervolle Panorama zu bewundern. Auch von hier kann man tief in das Tal der Ilse sehen, einen Blick zurück zum Ilsestein genießen und viele Details anders entdecken, als beim Wandern im Tal oder auf den Höhenzügen. Für mich fühlt es sich wie ein Geschenk an, das alles ganz bewusst und gesund erleben zu dürfen. Vor zehn Jahren war daran noch nicht zu denken. Würde ich dem Wanderweg weiter folgen, käme ich nach einer knappen Stunde am Waldgasthaus „Plessenburg“ an und könnte mir zudem den Stempel der Karlsklippe abholen. Das hebe ich mir aber für einen späteren Zeitpunkt auf. Heute gehe ich den Weg zurück bis zu jener Wegkreuzung, von der ein Pfad runter ins Ilsetal führt. Der leitet mich um diesen Berg herum, auf dem die Paternosterklippe in den blauen Himmel ragt. Wieder stolpere ich über Steine, steige über einen gestürzten Baumriesen und krieche unter einen weiteren Baumstamm hindurch. Ganz oben ragt schwarz die Klippe ins Blau des Himmels, von unten kommen mir Wanderer entgegen, die offensichtlich zu jenen Felsformationen möchten, von denen ich komme. Der Weg endet an einer Waldstrasse und dort steht eine Bank. Zeit für eine Rast sowie eine kleine Stärkung, ehe ich den Rückweg durch das herbstliche Ilsetal starte. Nach drei Stunden wandern auf den Höhen bin ich wieder im Tal angelangt, stehe am Ufer der Ilse genau dort, wo auf der anderen Seite die Steintürme wieder wachsen. Eine Brücke gibt es hier nicht. Mir bleibt nur, entweder flussabwärts zu gehen, oder ein paar hundert Meter flussaufwärts über eine kleine Holzbrücke den Wanderweg zu erreichen. Ich möchte dem Pfad am Flussufer folgen, Rauschen und Plätschern des Wassers nah sein und die herbstlich farbige Natur an der Ilse in mich aufsaugen. Dafür lasse ich mir viel Zeit, suche am Ufer nach Harzsteinen zum Bemalen und knipse das Spiel des Wassers aus verschiedenen Perspektiven. So verrinnt unmerklich die Zeit und dann bin ich wieder am Platz der Steintürme angelangt. Der ist in den letzten Wochen beachtlich gewachsen, hat jede Menge Zuwachs bekommen. Auch von mir sind einige dabei. Heute lege ich zwei weitere, die ich selbst bemalt habe, auf die Spitze von zwei Türmchen. Ich stehe davor, bin ein wenig stolz und werde gefragt, welche Bedeutung diese bemalten Steine haben. Man kommt in Gespräche und erfährt manchmal etwas mehr über die Menschen, denen man nur einige wenige Augenblicke begegnet. Harzsteine bunt bemalen, eventuell kleine Bilder darauf zaubern, bringt einander näher und anderen, die sie später finden, vielleicht ein Lächeln ins Gesicht. In Zeiten wie diesen ist ein lächelndes Gesicht seltener geworden. Beim Wandern grüßt man einander, ganz gleich, wer einem gerade entgegen kommt oder ob man sich kennt. In der Natur sind Menschen offener, so mein Eindruck. Niemand käme hier, wie in der Anonymität des Internets oft üblich, auf die Idee, ausfallend oder beleidigend zu werden. Inzwischen bin ich vier Stunden wandernd und entdeckend unterwegs. Die Beine sind müde geworden und sehnen sich nach Ruhe. Den letzten langen Kilometer bis zum Zanthierplatz, am Waldhotel vorbei bis zum Parkplatz gehe ich gemächlich, lasse mich austrudeln. Vielleicht füge ich den vier Exkursionen noch eine fünfte hinzu, falls uns dieses Jahr weiße Weihnachten bescheren sollte. Das Klima spielt ja eh schon verrückt, nichts ist mehr unmöglich, aber der Harz wird sich davon erholen – so oder so.